Das 40 x 5 Meter große Straßenbild, zusammengesetzt aus 170 Einzelaufnahmen:
Am 10. Juli 2021, ein Sonntag, ging ich gegen Mittag Richtung Domplatz, um mir beim Thailänder was zu Essen zu holen und im Café Hilgenfeld die Sonne samt Käffchen zu genießen.
Auf dem Weg dorthin fand ich die Rathausbrücke (das ist die neben der Krämerbrücke) polizeilich abgesperrt vor und es wurden fleißig Raster auf der Straße abgemessen und mit Kreide markiert. Die ersten Kinder und Erwachsenen machten sich schon in ihrem Kästchen mit bunter Kreide ans Werk. Als ich nachfragte, war es die Imago Kunst- und Designschule, die hier zur Buga etwas wahrlich Großes und Buntes vorbereitete. Es sollte ein Blumenbeet werden, Beim Zählen der Rasterstriche — 80 x 80 cm — kam ich auf etwa 30 m Länge und 4 m Breite. Ich war sofort begeistert von der Idee.
Gestärkt und von der Sonne aufgeladen kam ich etwa zwei Stunden später zurück und ließ mir auch ein Rasterquadrat zum Bemalen zuteilen. Es war keine alltägliche sonntägliche Dreiviertelstunde. So mit Kreide auf der Rathausbrücke. Ich gab mein Bestes, einen würdigen Teil dieses Blumenteppichs auf den Asphalt zu malen. Schön war auch, dass das Wetter mitspielte. Und die vielen Menschen rundherum, die auch ihre Kreativität auf die Straße fließen ließen. Während ich so zeichnete, hörte ich vom Bedauern der Veranstalter, dass es mit der Genehmigung für einen Drohnenflug leider nicht geklappt hat und das fertige Kunstwerk nicht dokumentiert werden konnte.
Ich fand das sehr schade, dass dieses Werk der Freude und Gemeinschaft aus vergänglicher Kreide morgen schon verschwunden sein würde. Da hatte ich eine Idee und ging später damit zur Verantwortlichen für das Projekt und schlug vor, dass ich das gesamte Bild mit meiner Kamera Stück für Stück fotografieren und versuchen würde, das am PC zuhause zusammenzusetzen. Bisher hatte ich schon große Bilder zusammengestitcht, die waren aber an der Wand. Hier hat jedes Bild eine Trapezverzerrung, das war mir bewusst. Aber vielleicht könnte ich ja das Raster verwenden…
Ich holte meine Trittleiter von zu Hause und wartete bis ca. 17 Uhr, dem offiziellen Ende der Aktion und begann an einem Ende mit meiner Sony Alpha 6300 zu fotografieren. Immer drei Fotos übereinander, dann absteigen, Leiter um einen Schritt nach rechts bewegen, hochsteigen und wiederholen. Sport bis zum anderen Ende. Dann nochmal mit dem Smartphone, das die gesamte Breite hochkant erfassen konnte. Währenddessen wurde noch vereinzelt gezeichnet, Autos, Fahrräder, Fußgänger benutzten mehr oder weniger vorsichtig die Straße. Da galt es abzuwarten oder nachzufragen. Insgesamt anderthalb Stunden dauerte es bis ich meiner Meinung nach genug unverdecktes Material hatte.
Nun, nach zwei Wochen Arbeit — verteilt auf die Nachmittage die ich nicht draußen irgendwo war — habe ich es geschafft, die Aufnahmen der Kreidezeichnung zusammenzusetzen. Eine Woche nach der Aktion hatte ich noch Fotos von der Straßentextur gemacht um den Rand zu komplettieren. Dann hatte ich hier und da bis zum 5. August noch einige Detailkorrekturen vorgenommen. Auf das Ergebnis bin ich sehr stolz: 51345 x 6418 Pixel — mein persönlicher Rekord. Hier können Sie es sehen oder ganz tief eintauchen — in das von vielen Menschen spontan geschaffene Imago-Kreideblumenbeet so nah wie möglich am Original.
Wie bin ich vorgegangen?
Nun, als erstes habe ich alle Bilder in Lightroom importiert. Die Fotos der Sony-Kamera konnte ich mit der Objektivkorrektur und dem Profil für das Objektiv entzerren. Die Fotos mit dem Smartphone waren nicht verwendbar, da die Vignettierung und Verzerrung zu stark und nicht rund ist — neben der Trapezverzerrung — es war als Backup gedacht.
Dann habe ich die übereinanderliegenden Fotos mit Photoshop zu Panoramen gestitcht. Das geht direkt aus Lightroom heraus. Dann habe ich Gruppen gebildet jeweils 3 RAW-Fotos mit dem zugehörigen Panorama. Es entstanden über 30 solche Gruppen. Die Panoramen waren ca. 6000 x 6000 Pixel groß. Habe da schon einen Großteil der Trapezverzerrung entgegen verzerrt.
Dann ein solches Panorama aus der Mitte genommen, wo die Rasterlinien und die Gully-Linien gut zu sehen waren, und das mit einem Raster aus Hilfslinien ausgerichtet. Das habe ich mit Smartobjekts gemacht, weil da die Transformation erhalten bleibt und man sie später noch ändern kann. Ein Smartobject ist ein Feature für Ebenen; es stellt quasi eine Verknüpfung auf Bilddaten dar.
Nach und nach habe ich die weiteren Dreierpanoramen in Photoshop geladen, als Smartobjekt transformiert und mit Ebenenmasken die Ränder angepasst. Am Ende hatte ich eine 9 GB große Photoshopdatei. Das wurde schon eng im RAM. So habe ich die Protokolllänge (die Anzahl der möglichen Rückgängig-Schritte) reduziert.
Für den nächsten Schritt legte ich eine Kopie an, wo alle Smartobjekte in ihrer Transformation gerastert wurden, aber die Ebenenmasken beibehalten werden. Die Detailarbeit an Rändern, Ergänzung von Straßenelementen, Korrektur und Anpassung der Farben im gesamten Bild und Bildbereichen war der aufwändigste Teil.
Dann begannen wie schon erwähnt die Feinarbeiten mit Überlappungen und anderen Dingen, die man nur sieht wenn man weiß wo die Kanten sind. Es war viel Arbeit, aber es hat auch Spaß gemacht. Es ist eigentlich wie Puzzeln.